Weniger Bürokratie dank Green Dentistry?
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Was Studis wollen. Umweltschutz ist vielen Zahnmedizin-Studierenden sehr wichtig. Doch bedeutet das nicht automatisch mehr Vorschriften und Papierkram? Mit wieviel Bürokratie rechnen sie für die Zukunft, und bereitet das Studium darauf vor? Drei Angehörige des FVDZ-Studierendenparlaments antworten.
KONSTANTIN SCHRADER
Um die Ausübung des zahnmedizinischen Berufs effizient zu gestalten, ist ein gewisses Maß an Bürokratie notwendig. Damit Prozesse innerhalb der Universitäten und den Praxen standardisiert ablaufen können, bedarf es einer Ordnung, um den Workflow zu optimieren. Was daran ist Green Dentistry? Nun, wenn man bedenkt, dass Zeitersparnis einen nachhaltigen ressourcenschonenden Effekt auf unsere Arbeit haben kann, dann klingt das schon etwas mehr nach Green Dentistry.
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KONSTANTIN SCHRADER
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RESSOURCEN SPAREN DURCH DIGITALISIERUNG
Angefangen vom Licht oder der Heizung, die man früher ausstellen kann, ergeben sich durch einen intelligent gestalteten Verwaltungsapparat Vorteile, die sich mittelbar auf unser Klima auswirken. Auch wenn der staatliche Apparat einen systematischen Hang zur Überverwaltung hat: Ganz ohne geht es nicht. Wenn man sich international umsieht, erkennt man, dass Deutschland das digitale Potenzial noch längst nicht optimal nutzt. So gibt es im Baltikum Länder, die mit dem Neu- und Ausbau des Internets auch das staatliche Gesundheitssystem weitgehend auf digitale Techniken umgestellt haben. Zum Beispiel mit Einführung einer elektronischen Patientenakte, die dort selbstverständlich akzeptiert wird. Hierzulande droht die eigentlich gute Idee mit bürokratischem Mehraufwand überfrachtet zu werden. Dem Gedanken von umweltfreundlicher Zahnmedizin kann damit kaum geholfen werden. Der Nachhaltigkeitsgedanke tritt in den Schatten der bürokratischen Last, wenn man sich nicht ausgiebig auf den zahnärztlichen Beruf vorbereitet, und das geht wie so häufg mit privatem Verzicht einher, da an den Hochschulen keine bewährte Methode gelehrt wird.
MILENA HEGENAUER
Vertragen sich Entbürokratisierung und Green Dentistry? Auf jeden Fall vertragen sich Entbürokratisierung und Green Denstiry! Das aktuelle Maß an Bürokratie kostet den Behandelnden nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch Ressourcen. Unmengen an Papier, Druckertinte, Arbeitskraft und – nicht zu unterschätzen – Platz, werden benötigt, um den bürokratischen Aufwand zu stemmen.
Da einer der wichtigsten Pfeiler der Green Dentistry das Sparen von Ressourcen ist, muss auch in Hinsicht auf Bürokratie umgedacht werden. Auch hier geht der Trend in Richtung Digitalisierung. Sie birgt die Chance, die bisherige Zettelwirtschaft in den Griff zu bekommen und Zeit einzusparen, sobald man den digitalen Workflow in das eigene Arbeiten integriert hat. Dennoch muss der Digitalisierungstrend kritisch beleuchtet werden, die Frage nach der Datenhoheit muss geklärt, und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema CO2-Abdruck der Digitalisierung in Praxen müssen angefertigt werden. Niemand kann sonst sagen, inwiefern die Digitalisierung den CO2-Abdruck verringert und wie lange digitale Hilfsmittel beispielsweise in Betrieb sein müssen, um tatsächlich für ein gesundes Klima zu sorgen.
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MILENA HEGENAUER
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Die Frage, wie wir Studierenden zur Bürokratie in der zukünftigen Berufsausübung stehen, ist überwiegend mit „weniger ist mehr“ zu beantworten. Die Ausmaße, die diese annimmt, sind für uns Studierende nur zu erahnen, denn im Studium wird einem ein Großteil der Bürokratie erspart, weil er in den Zuständigkeitsbereich der Klinik fällt. Dennoch reduziert sich zum Teil die Menge an Formularen durch ein Aneinanderketten etlicher Arbeitsschritte, was nicht zu unterschätzen ist. Trotzdem: Der gesamte Behandlungsverlauf wird um den Bürokratieaufwand herumgeplant, was schon mal zu Problemen bei der Terminfindung indem doch recht knapp bemessenen Semesterzeitraum führen kann. Einerseits gibt einem eine gewisse Dokumentation natürlich rechtliche Sicherheit und ist an dieser Stelle wohl ein notwendiges Übel. Andererseits ist fraglich, wie weit man diese Dokumentationspflicht ausreizen muss. Die aktuelle Entwicklung der Dokumentation, bei der sich medizinisches Personal fast länger um das Tippen von Texten als um die Behandlung des Patienten kümmert, ist besorgniserregend. Bloße Dokumentation macht die abgebrochene Schneidekante nämlich auch nicht wieder ganz. Man möchte gar nicht daran denken, wie viel Zeit und Mappen voller Papier es kostet, wenn man sich später dazu entscheidet, Praxisinhaberin zu werden. Sollte Bürokratie wirklich ein Argument gegen die Freiberuflichkeit darstellen?
Letzten Endes muss ein sinnvoller Mittelweg gefunden werden, der die Sicherheit des Patienten sowie die Rechtssicherheit des Zahnarztes garantiert, ohne dabei auf Kosten der Behandlungszeit zu gehen. In Hinblick auf Green Dentistry ist zu Beginn mit Sicherheit ein gewisser bürokratischer Aufwand zu erbringen. Eine jede Systemumstellung hat das so an sich. Auch der Bezug von staatlichen Fördergeldern wird nie ohne bürokratischen Aufwand möglich sein, was gerade in Hinblick auf den European Green Deal und zukünftige Möglichkeiten zur Finanzierung umweltschonender Maßnahmen in Praxen von Bedeutung sein könnte.
Dennoch bin ich mir sicher, dass der längerfristige Trend zur Green Dentistry ein Weg zur Verminderung der Überbürokratisierung in Praxen darstellen kann und muss. Es ist nur vernünftig, die Chance zu nutzen, das eine Übel zu verringern und damit auch noch einem anderen Ziel näher zu kommen.
Es scheint mir einer der Punkte zu sein, bei dem sich alle Zahnmedizin-Praktizierenden einig sind. Bürokratie muss in sinnvollem Maße existieren und darf darüber nicht hinausgehen.
HÜSSEIN AL-HASHIMI
Um Green Dentistry in Zahnarztpraxen umsetzen zu können, bedarf es eines grundlegenden Zusammenschlusses mit der Bürokratie, um der Dokumentation und Organisation des Prozesses gerecht zu werden. Dies darf jedoch keinesfalls den zeitlichen und kostentechnischen Rahmen sprengen.
ZEITERSPARNIS DANK DIGITALISIERUNG
Um jedoch Bürokratie abzubauen und zeitgleich Green Dentistry umsetzen zu können, sollte von elektronischen Techniken Gebrauch gemacht werden. So könnte die Digitalisierung grundlegend helfen, Zeit zu sparen. Elementar dabei ist, dass auf die Sicherheit der Freigabe und Verschlüsselung von persönlichen und teils sensiblen Patienteninformationen geachtet wird. Daher ist eine stetige Aktualisierung der Software vonnöten, um mit den fortlaufenden Innovationen in Informationstechnik Schritt und die Anwendungen sicher zu halten.
Die Entscheidungshoheit eines jeden Patienten sollte nicht verletzt werden. Auch sollte die Finanzierung dieser Sicherheitsmaßnahmen präzise formuliert und überdacht und zeitgleich an eine staatliche Finanzierung in Form von Zuschüssen gedacht werden. Nur wenn diese einzelnen Elemente ineinandergreifen, können Green Dentistry mit ihrer Vermeidung von Müll und Papier sowie die gleichzeitige Entbürokratisierung des zahnärztlichen Berufes zum Erfolg werden.
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HÜSSEIN AL-HASHIMI
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STROM AUS ERNEUERBAREN ENERGIEN
Wer sich von handgeschriebenen Dokumenten mehr oder weniger verabschieden und stattdessen digitale Tools einsetzen will, sollte den erhöhten Strombedarf bedenken. Mit der Nutzung digitaler Endgeräte steigt der Stromverbrauch. Daher sollte möglichst auf die Angebote verschiedener Stromanbieter geachtet und wenn nötig über einen Wechsel des Stromanbieters nachgedacht werden. In einigen Regionen kann es sich lohnen, eigene Solaranlagen zu installieren. Über eine Anschaffung derartiger Ökostrom produzierender Anlagen sollte genaustens im Einzelfall beraten werden (können).
ÜBERMÄßIGE BÜROKRATIE ABBAUEN
Bürokratie ist zwar aus unserer Sicht als Studierende und Zahnmediziner einerseits ein wertvolles Gut, um der Dokumentation und Befundung gerecht zu werden, andererseits haben übermäßige staatliche Vorgaben einen zeitfressenden Effekt auf den alltäglichen zahnärztlichen Betrieb. Dies reicht von der komplexen Stellungnahme für die einzelnen Krankenversicherungen und Kostenträger, der Wirtschaftlichkeitsprüfung und Quartalsabrechnungen bis hin zu Beratungsdokumentationen, täglichen Hygiene-Dokumentationsbögen und der Aufbereitung und Planung einzelner komplexer Behandlungsfälle, um hier einige Beispiele zu nennen. Grundsätzlich sollte die Behandlung des Patienten im Vordergrund stehen und die hohe Qualität der zahnärztlichen Leistungen gewährleistet werden. Denn dies ist schließlich die eigentlich zentrale Zielsetzung eines jeden (angehenden) Mediziners in der (zukünftigen) Berufsausübung. Somit sollte auch unter anderem im Falle der Umsetzung von Green Dentistry eine Vereinfachung der Bürokratisierung in Erwägung gezogen werden, um die Umsetzung dieses Ziels zu vereinfachen und zugleich die Übernahme dieser grünen Elemente zu unterstützen.