„Individuelle Schönheit bewahren“
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Statements von Studierenden. Was ist schön und was nicht? Bei dieser Frage gehen die Meinungen unterschiedlicher Generationen gerne mal auseinander. Aber wie sieht es unter Zahnärztinnen und Zahnärzten aus? Sind auch hier die Vorstellungen von Ästhetik im Wandel? Was meint der Nachwuchs? Wir haben zwei Studierende der Zahnmedizin gefragt.
VICTORIA POLIAKOVA, 6. SEMESTER, UNIVERSITÄT ERLANGEN
„Die Ästhetik ist ein zentraler Punkt in der Zahnmedizin, dem meiner Meinung nach zu wenig Aufmerksamkeit im Studium gewidmet wird. Die Anforderungen an die Ästhetik sind gewachsen. Ich denke, dass es unter anderem darauf ankommt, wie man sozialisiert wurde und in welchem Umfeld man groß geworden ist und mit welchen Schönheitsidealen. Viele Menschen aus Großstädten legen Wert auf strahlend weiße Zähne, während andere eher natürliche Ergebnisse bevorzugen. Das Bewusstsein für ein schönes Lächeln ist jedoch hoch. Wenn ich mit Menschen meines Alters über Zähne spreche, sind sie sich stets ihrer ‚Makel‘ bewusst. Viele artikulieren, dass sie sich eine weißere Farbe oder eine Korrektur der Zahnstellung wünschen.“
Konsumierende werden hinters Licht geführt
„Sicherlich beeinflussen die sozialen Medien unsere Wahrnehmung der Ästhetik. Das gilt nicht nur für den Zahnbereich. Influencerinnen und Influencer werben ständig für Homebleaching-Systeme oder Zahnkorrekturschienen. Meistens werden diese Systeme zu Hause angewendet, und keine Zahnmedizinerin und kein Zahnmediziner kontrolliert das Ergebnis. Wir wissen als Konsumierende nicht mal, was das genau für Materialien sind, die verwendet werden. Oft sind die Sachen ziemlich überteuert. Ich weiß nicht, wo sie bestellt werden. Aber wenn sie aus China kommen, bekommen sie einfach ein neues Label drauf und werden fünfmal so teuer verkauft. Wir als Konsumierende werden hinters Licht geführt und tragen womöglich noch gesundheitliche Schäden davon. Ich finde es sehr problematisch, dass Instagram, nicht nur im Zahnbereich, bestimmte ästhetische Normen vorgibt. Vor allem junge Leute lassen sich davon sehr stark beeinflussen. Der Trend geht im plastisch-chirurgischen Bereich zu einer kleinen geraden Nase, vollen Lippen, ausgeprägten Wangenknochen. Das vermeintlich perfekte Hollywood-Lächeln ist nur das i-Tüpfelchen.“
Medizinisch-künstlerische Ästhetik in der Zahnmedizin
„Charakteristische Gesichtsmerkmale, zu denen die Zähne zwangsläufig gehören, werden ausradiert, und es entstehen viele ‚normschöne‘ Personen, die aber ihre individuelle Schönheit verloren haben. Diese verzerrte Wahrnehmung der Anatomie führt eventuell zu psychischen Problemen und riskanten Behandlungen. Die Zahnstellung und -form sowie die Farbe geben dem Gesicht einen Charakter. Genauso wie die Augen, die Nase und jeder noch so subtile Gesichtszug. Der ästhetische Anspruch sollte es sein, die individuellen Merkmale zu betonen und gleichzeitig das Gesicht/Lächeln auszubalancieren. Wir sollten ein Bewusstsein für diese Problematik schaffen und mit einem medizinischkünstlerischen Ansatz an die Ästhetik in der Zahnmedizin herangehen, statt verzerrte Schönheitsideale zu unterstützen.“
MORITZ MARTIN, 9. SEMESTER, UNIVERSITÄT ULM
„Ich persönlich hatte bisher, im Vergleich zu anderen Themen, relativ wenig Berührungspunkte mit dem Thema Zahnästhetik. Grund dafür ist sicherlich auch, dass es im Studium logischerweise eine untergeordnete Rolle spielt und nur teilweise beleuchtet wird. Im Rahmen von Workshops und Seminaren wird man jedoch beispielsweise in der Abteilung der Zahnerhaltungskunde und Parodontologie ins polychromatische Schichten bei FZ-Füllungen am Phantomkopf eingeführt. Ebenso lernt man im vorklinischen Studienabschnitt das Verblenden von beispielsweise NEM-Kronen/Brücken und befasst sich auch damit, bis zu welchem Punkt die Krankenkasse beispielsweise eine vestibuläre Verblendung bezahlt. Auch die ästhetische Bewertung, etwa von Modellgussprothesen, wird beleuchtet. Im theoretischen Teil wurde während einer Vorlesung einmal angeschnitten, was für psychische Auswirkungen eine als mangelhaft empfundene Zahnästhetik haben kann.“
Keramiken ins natürlich ins Bild einfügen
„Persönlich empfinde ich schöne, gut geschichtete FZ-Keramiken (Veneers usw.) als ästhetisch ansprechend. Jedoch sollten diese nicht zu hell sein, sondern sich natürlich ins Bild einfügen. Meinem Empfinden nach kommt es leider zu häufig vor, dass zum Beispiel zu helle FZ-Kronen eingegliedert werden und so ein disharmonisches Gesamtbild entsteht, was natürlich negativ auffällt.“