Nachgefragt bei Studierenden.

Auf Du und Du

 

 

Autorin:
Heidi Wentsch-Trinko (Redaktion FVDZ)

Nachgefragt bei Studierenden. Duzen oder Siezen? Wie sehen es die Zahnärztinnen und Zahnärzte von morgen? Ändert sich die Kommunikation in der Praxis maßgeblich? Wir haben nachgefragt. Drei Studierende erzählen, wie sie es mit der Anrede halten.

„Du, sag mal, Chefin …“ Auch heute noch dürfen bei derart salopper Anrede manch einem und einer die Ohren klingeln. Nichtsdestoweniger: Mittlerweile scheint das lockere Du dem förmlichen Sie zunehmend den Rang abzulaufen, auch im Businessleben. Einige große Player wie internationale Konzerne machen es schon lange, und auch bei Start-ups wird über alle Hierarchieebenen hinweg geduzt. Die einen preisen die wachsende Duz-Kultur als zeitgemäße Kommunikationsform auf Augenhöhe, die das Wir-Gefühl in der Unternehmung, die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und die gegenseitige Wertschätzung fördere. Die anderen bringen die familiäre Anrede mit einer ungesunden Hierarchieabflachung in Verbindung, die mit Distanzverlust zwischen Personal und Leitungsebene einhergehe und letztlich dem gegenseitigen Respekt schade. Wir haben drei Studierende der Zahnmedizin
gefragt, ob und wann Sie das förmliche Sie bevorzugen und wann sie lieber auf Augenhöhe per Du kommunizieren. Zudem wollten wir wissen, welche Anredeform sie später in ihrer eigenen Praxis verwenden wollen.

HÜSSEIN AL-HASHIMI
Charité Berlin

Während als Ausdruck der Höflichkeit und (künstlichen) Distanz Lehrenden, Fremden und älteren Menschen gegenüber vom Anredepronomen Sie Gebrauch gemacht wird, ist die Duz- Kultur in der Kommunikation mit Familienmitgliedern, im Freundeskreis und unter Kolleginnen und Kollegen ein weitverbreitetes – und von uns Jüngeren geschätztes – Phänomen.

DUZKULTUR IN PRAXEN ZUNEHMEND SALONFÄHIG

Gleichzeitig nimmt die Beliebtheit der Duz-Kultur in jungen zahnärztlichen Betrieben zu. Gerade in eingespielten Teams fasst diese innige und persönliche verbale Kommunikationsform allmählich immer mehr Fuß. So werden entscheidende Werte wie Nähe und Vertrautheit miteinander geteilt. Dies fördert ein harmonisches Arbeitsklima und damit das Wohlbehagen der Mitarbeitenden. Das Du schafft Teamgeist und ein Gemeinschaftsgefühl, ohne der Professionalität, der Souveränität und der Kritikfähigkeit oder dem gegenseitigen Respekt zu schaden. Schließlich ist Respekt keine Frage der Anrede, sondern eine Frage von Autorität und gegenseitiger Akzeptanz.

JORIT CLAUßEN
Universität Witten/Herdecke

Das Du nutze ich gegenüber Gleichaltrigen und Jüngeren oder, wenn es mir angeboten wird. In der Lehre aber, so veraltet dies scheinen mag, schätze ich das Sie immer noch. Als Student muss man für sich einen Weg finden, Persönliches von Fachlichem zu unterscheiden. Gerade das Studium der Zahnheilkunde zeichnet sich durch einen engen, aber auch hierarchischen Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden aus. Vor dem Hintergrund, dass das Lehrpersonal die Verantwortung etwa bei studentischen Behandlungen trägt, ist dies auch sinnvoll.

PROFESSIONELLE DISTANZ IN DER LEHRE WÜNSCHENSWERT

Meiner Erfahrung nach ist das Siezen zwischen Studierenden und Lehrenden ein guter Weg, auch Kritik auf professioneller Ebene zu äußern und zu verstehen. Vor allem gegenüber jungen Assistenzzahnärzten und -zahnärztinnen kann im Patientenkontakt die respektvoll- distanzierte Anrede helfen, deren Kompetenz (trotz ihrer jungen Jahre) zu unterstreichen.
Generell ist für mich das Sie in Zeiten, in denen viele ihre Arbeit in der Hosentasche mit nach Hause tragen, mitunter die letzte Bastion, Privates von Geschäftlichem zu trennen – zumal die immer mehr verschwimmenden Grenzen im Sinne einer Work-Life-Balance durchaus kritisch betrachtet werden können.
Da die förmliche Kommunikation per Sie schon aus Höflichkeitsgründen mehr Achtsamkeit im Ausdruck erfordert, kann sie schließlich und endlich auch ein Schutz sein vor „dahergesagten“ Äußerungen, die schnell als respektlos verstanden werden können.

FÖRMLICHKEIT IM PRAXISTEAM EHER UNERWÜNSCHT

Im Arbeitsumfeld hingegen – vor allem in eingespielten Teams – sind allzu förmliche Floskeln meines Erachtens für ein kollegiales Miteinander und ein entspanntes Arbeitsklima eher hinderlich. Angesichts der Herausforderungen einer digitalisierten Welt, in der Kommunikation einen immer höheren Stellenwert einnimmt, würde ich im beruflichen Bereich daher auf eine eher lockere Kommunikation setzen – zumal zu erwarten ist, dass zahnmedizinische Fachangestellte, die mittlerweile deutlich selbstbewusster auftreten als früher, von ihren ärztlichen Vorgesetzten auf Augenhöhe angesprochen werden wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Faktoren gerade beim derzeitigen Personalmangel für viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ausschlaggebend sind.
Flache Hierarchien und eine freundschaftliche Kommunikationsatmosphäre fördern darüber hinaus den Zusammenhalt im Team – in Abgrenzung zur förmlichen Ansprache der Patientenschaft. Einem solchen Team anzugehören, dürfte auch das Engagement der Mitarbeitenden erhöhen, was wiederum der Behandlungsatmosphäre und -qualität zugutekommt.
Als junger, möglicherweise zukünftiger Arbeitgeber werde ich es gegenüber meinen Mitarbeitenden mit dem Du versuchen. Für mich ist die Anrede Sie allein kein Garant für Respekt. Sprache ist nur ein Puzzleteil aus vielen Faktoren für ein respektvolles Arbeitsklima. Für ein gutes Miteinander, bei dem ich als junger Vorgesetzter trotz einer lockeren Atmosphäre ernst genommen werde, sind für mich andere Dinge viel wichtiger: Beziehe ich meine Mitarbeitenden in die Entscheidungsfindung mit ein? Vermittle ich, dass ich zwar als Vorgesetzter viele Entscheidungen treffe, dass mein Team aber unersetzlich und wertvoll für meine Arbeit ist?

ISABEL-SOPHIE MACHE
Universität Würzburg

Unter uns Studierenden ist die Duz-Kultur ausnahmslos vertreten. Auch die Dozierenden duzen sich untereinander, zumindest an unserer Universität. Interessant ist, dass sich von der Oberärztin über den Assistenzarzt bis zu den zahnmedizinischen Fachangestellten alle duzen. Zwischen Studierenden und Dozierenden überwiegt allerdings nach meiner Erfahrung immer noch das förmliche Sie, sodass im Lehrbetrieb ein distanzierter und respektvoller Ton herrscht. Aus anderen Fakultäten hört man aber, dass das Du dort vielfach auch schon zwischen Lehrenden und Studierenden Einzug gehalten hat – eine gute Entwicklung für ein kollegiales Miteinander, wie ich finde.
Außerhalb meines universitären Umfeldes duze ich jeden, der ungefähr gleich alt oder jünger ist als ich. Auch lasse ich mich selbst gerne duzen, da dies ein Gefühl von Zugehörigkeit und Akzeptanz in mir auslöst. Das Du steht für
mich für eine vertraute und gemeinschaftliche Kommunikationsform auf Augenhöhe.
Ein Mensch, mit dem ich mich duze, erscheint mir sofort sympathisch und greifbar. Das Sie hingegen ist immer mit Distanz behaftet – im besten Fall höflich-respektvoll, im schlechtesten hierarchisch-abwertend.

ÄLTEREN MIT RESPEKT BEGEGNEN

Älteren Menschen gegenüber verwende ich das Sie, um meinen Respekt auszudrücken – auch, weil das Du auf Menschen, die in einer Siez-Kultur sozialisiert worden sind, befremdlich oder gar abwertend wirken kann. Ich versuche also, mich bei der Wahl der Anrede der jeweiligen Situation anzupassen. Bei jeder Anredeform ist es für mich essenziell, dass sie auf Gegenseitigkeit beruht. Bin ich diejenige, die siezt, werde selbst hingegen geduzt, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Hier werden ein gnadenloser Autoritätsanspruch und ein klares Hierarchiegefälle zum Ausdruck gebracht, die mich als geduzten Part in die ungeliebte „Untergebenen“-Rolle zwingen.

BESSER AUF AUGENHÖHE MIT DEN ANGESTELLTEN

Im betrieblichen Umfeld halte ich prinzipiell sowohl die Du- als auch die Sie- Anrede für angemessen – vorausgesetzt, alle Teammitglieder werden gleich angesprochen. Dennoch kann man die Siez-Kultur im Business aus meiner Sicht durchaus hinterfragen. Sollte nicht gerade hier ein gemeinschaftlicher und ebenbürtiger Umgang herrschen? Jede und jeder, von der Reinigungskraft über den Produktionsleiter bis hin zur allerobersten Chefin, arbeitet hart, um das Unternehmen am Laufen zu halten, und demnach sollte allen derselbe Respekt gezollt werden.
In meiner zukünftigen Praxis kann ich mir eine förmliche, Distanz schaffende Siez-Kultur nicht vorstellen. Für meine kleine „Praxisfamilie“ wünsche ich mir eine Atmosphäre der Nähe, die vielleicht sogar einen Schuss Geborgenheit vermittelt. Ich bin mir daher sicher, mit meinen Mitarbeitenden später einen freund(schaft)lichen und anerkennenden Umgang auf Augenhöhe zu pflegen. Auf Du und Du.
Dies ist auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Mehrere Studien belegen, dass Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt fühlen, präziser, motivierter und schneller arbeiten als weniger wertgeschätzte. Im Übrigen ist es natürlich auch für Patientinnen und Patienten angenehmer, in einer Praxis mit freundlicher Atmosphäre behandelt zu werden.

DUZ-KULTUR OHNE GRENZEN?

Im europäischen Kontext kann ich mir gut vorstellen, dass das Sie immer mehr an Bedeutung verlieren wird. In Schweden beispielsweise duzen sich fast alle – auch Dozierende und Studierende an den Universitäten. Die Deutschen hingegen tun sich erfahrungsgemäß eher schwer mit Veränderungen. Daher wird das Sie in der deutschen Sprache vermutlich entweder gar nicht oder nur sehr schleichend aus dem sprachlichen Kontext verschwinden. Schade.

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